AKDB aktuell September 2018

Hintergrund: Blockchain in der Verwaltung – Durchbruch für die Digitalisierung?

Die Furcht vor Identitäts- und Datenklau oder Manipulation von Registern und Dokumenten bremst viele Kommunen und Bürger bei der Nutzung von Online-Verwaltungsdiensten. Die Blockchain-Technologie könnte den Durchbruch bringen. Wir haben dazu mit dem Wirtschaftsinformatiker Stefan Pernpaintner von der AKDB gesprochen. Er forscht zum Thema Blockchain und wird darüber auch auf dem 3. AKDB Kommunalforum referieren. 

Wirtschaftsinformatiker Stefan Pernpaintner von der AKDB forscht zum Thema Blockchain und referiert darüber auch auf dem 3. AKDB Kommunalforum.

Gleich sechs Mal taucht im Koalitionsvertrag das Wort "Blockchain" auf. Eine neue Technologie, die eine Revolution im Datenverkehr verspricht. Auch in der öffentlichen Verwaltung. Das Revolutionäre daran: die dezentrale Datenhaltung, die Anonymisierung, die öffentliche Einsehbarkeit des Systems und die Unveränderlichkeit bzw. Manipulationssicherheit der darin enthaltenen Daten. Dezentrale Datenhaltung bedeutet: Es gibt keinen alleinigen Verantwortlichen, der als Einziger die Richtigkeit der Daten validiert, wie etwa eine Bank oder ein Notar. Denn jeder Teilnehmer des Systems erhält eine identische Kopie der Blockchain, sie ist also über sehr viele Computer verteilt. Peer-to-Peer nennt man das.

Schwarmintelligenz garantiert die Richtigkeit der Daten

Alle Teilnehmer an der Blockchain können die Daten der Blockchain einsehen – und mit mathematischen Berechnungen validieren, also auf Richtigkeit prüfen. Diese Schwarmintelligenz garantiert die Richtigkeit der Daten. Da diese in vielen Blöcken "verpackt" sind, die allesamt miteinander verknüpft und dadurch nicht veränderbar sind, können sie weder manipuliert noch gelöscht werden. Dadurch können unter anderem auf sichere Art und Weise Identitäten geprüft und Dokumente verschickt werden. Das Beste: Die persönlichen Daten bleiben pseudonymisiert bzw. anonymisiert. Ein datenschutzrechtlich relevanter Aspekt.

Sichere Daten für sichere Verwaltungsdienste

Was wie Zukunftsmusik klingt, folgt einem klaren Plan: Die Blockchain soll die Digitalisierung in Deutschland vorantreiben. Und zwar nicht nur in der Privatwirtschaft – etwa bei Warenlogistik oder Geldtransaktionen, sondern auch in der Verwaltung. Das Versprechen, manipulationssichere Daten zu verschicken, ist besonders für Regierungen und Bürger verlockend. Zumal in Zeiten rücksichtsloser Cyberkriminalität. Oder in Ländern mit hoher Korruption. Das Internet könnte wieder zu einem sicheren Ort werden. Kein Wunder, dass die AKDB sich für diese disruptive Lösung engagiert:

"Wir sind maßgeblich am VITAKO-Blockchain-Lab beteiligt. Und an einem Studentenprojekt der TU München", so Stefan Pernpaintner. Zusammen mit der fortiss GmbH hat die AKDB Studierende der TU München im Blockchain-Seminarpraktikum unterstützt. Das Studententeam der AKDB erhielt am 20. Juli 2018 den ersten Preis für eine Blockchain-Anwendungsstudie gegen das "Mietnomandentum". Konkret ging es um den Einsatz der Blockchain-Technologie bei der Vermietung einer Wohnung. Die Case Study zeigte, wie ein Vermieter, dank eines kryptographischen Schlüssels, problemlos Auskünfte zum Mietkandidat erfragt, ohne dass dieser auch nur einen Behördengang erledigen muss: Kreditwürdigkeit, polizeiliches Führungszeugnis, Haftpflichtversicherung oder Häufigkeit der Umzüge in den letzten Jahren. Selbstverständlich wird die Autorisierung, diesen "Schlüssel" zu nutzen, vom Mietkandidaten selbst gegeben. Das auf der Blockchain basierte System erspart dem Mietkandidaten viel Zeit und Aufwand. Zudem kann er sichergehen, dass seine persönlichen Daten nicht missbraucht werden, da diese nicht von einem zentralen Anbieter verwaltet werden.

Die AKDB forscht zum Thema Führerscheinwesen

Im Rahmen des VITAKO-Blockchain-Labs treibt die AKDB das Pilotprojekt "Blockchain-basiertes Führerscheinregister" voran und prüft es auf seine Machbarkeit hin. Das Projekt untersucht, wie man beim Mieten eines Wagens sämtliche Dokumentenprüfungen (Gültigkeit eines Führerscheins, Richtigkeit der Identität etc.) in der Blockchain ausführen kann. Pseudonymisiert. Dabei speichern Führerscheinstellen Daten in die Blockchain, die für die Überprüfung von Führerscheindaten genutzt werden. Ein Autovermieter bekäme dann einen "Schlüssel", also eine Art ad-hoc erstellten Code, mit dem er diese Daten überprüfen kann. Allerdings sind die Daten nur als Ja/Nein-Antwort erhältlich.

Auf die Frage: "Hat die Person, die den Wagen mieten will, die richtige Führerscheinklasse"? erhält der Autovermieter die Antwort: "ja" oder "nein". In der AKDB-Abteilung für Entwicklung und Qualitätsmanagement prüft Bereichsleiter Stefan Pernpaintner, wie die Blockchain konkret in Kommunen angewendet werden kann. Das Führerscheinprojekt, so Pernpaintner, sei noch nicht beendet. "Im nächsten Schritt wird der Zugriff auf diese Blockchain aus SYNERGO® heraus stattfinden. So werden wir die Machbarkeit von Blockchain-basierten Fachverfahren beweisen." Beim diesem Projekt sind die Daten auf diverse Rechenzentren verteilt. Auch die AKDB betreibt einen Rechnerknoten.

Anwendungsszenarien in der Verwaltung

"Besonders bei Registereinträgen und bei der Verifizierung von Identitäten ist die Blockchain das ideale Werkzeug. Einträge ins Grundbuch könnten manipulationssicher vollzogen werden. Besitzerdaten wären absolut sicher", erklärt Stefan Pernpaintner. Weitere Anwendungsgebiete sind, neben Führerschein- oder Standesamtsnachweisen, auch Gewerberegisterauskünfte. Der Nutzer weist einfach mithilfe seines Nutzerkontos und einer App seine Identität nach und erlaubt dem Empfänger eine definierte Abfrage von Daten. Daten werden dabei verschlüsselt in die Blockchain gehoben. "In einigen Ländern wird die Blockchain schon eingesetzt", so Stefan Pernpaintner. "Die Gemeinde Zug in der Schweiz setzt Kryptowährung ein, um Zahlvorgänge zwischen Bürgern und Kommune zu vollziehen." In Estland sichert die Technologie die Integrität medizinischer Dokumente ab. Außerdem kann man seit 2015 in der baltischen Republik mit einem E-Residency-Programm einen Notardienst in Anspruch nehmen, der auf der Blockchain-Technologie basiert. "Auch die USA, Dubai und Großbritannien treiben ähnliche Projekte voran", so Pernpaintner.

Selbstverständlich gibt es noch einige Hürden auf dem Weg zu einer dezentralen Blockchain-Datenhaltung. Sie sind mit noch fehlender Rechts- und Regulierungssicherheit verbunden. Und mit der geringen Anzahl von Experten. Denkbar wäre jedenfalls, dass sich Rechenzentren in Deutschland oder in Europa zusammenschließen, um diese Technologie anzubieten. Eine weitere Hürde: die Komplexität des Systems. Bedeutet die Blockchain das Ende der zentralisierten Verwaltung? Stefan Pernpaintner weist dieses Szenario dezidiert von der Hand: "Ich glaube nicht, denn innerhalb Deutschlands funktioniert die Verwaltung sehr gut. Vielmehr eröffnet die Blockchain neue Möglichkeiten, sich stärker dezentral zu organisieren und Anwendungsgebiete, die bisher auf einer zentralen Lösung basierten, dezentral neu zu denken."

Stefan Pernpaintner ist Referent auf dem 3. AKDB Kommunalforum am 18.10.2018 auf dem Nockherberg München. Sein Vortrag mit dem Titel „Blockchain – Hype oder Revolution?“ findet um 16:30 Uhr im Auditorium statt. Sie haben sich noch nicht zum 3. AKDB Kommunalforum angemeldet? Dann aber schnell, denn es gibt nur noch wenige Restplätze!