Herr Krüger, stets werden Estland, die skandinavischen Länder, aber auch Frankreich als Musterschüler in Sachen digitale Verwaltung dargestellt. Was ist bei uns anders?
Krüger: Nun, in diesen Ländern sind Verwaltungsstruktur und entsprechende Portale zentral organisiert. Das beschleunigt die Digitalisierung um ein Vielfaches. In Deutschland berücksichtigt das OZG hingegen unser föderales System und vernetzt Bund, Länder und Kommunen gemäß ihren jeweiligen Kompetenzen sinnvoll miteinander. In der Praxis bedeutet das: Bund, Länder und Kommunen müssen ihre jeweils eigenen Portale intelligent miteinander verknüpfen, so dass der Nutzer über jedes Portal Zugang zu allen angebotenen Verwaltungsleistungen hat. Hinsichtlich der technologischen Umsetzung ist die Einhaltung von Standards wesentlich, damit die von einem Akteur entwickelten Angebote auch von anderen genutzt werden können.
Jetzt ist ein Jahr vergangen seit der Verabschiedung des OZG. Was hat sich getan?
Die Mehrzahl der Bundesländer arbeitet mit Hochdruck an der Umsetzung, die ja bis 2022 erfolgen soll. In Bayern bietet die AKDB mit ihrem Bürgerservice-Portal und den zugehörigen Verwaltungsdienstleistungen bereits die technischen und inhaltlichen Dienste für die Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes.
Thema Datenschutz: Vielen stellt sich sofort die Frage nach der Datensicherheit.
In diesem Punkt sind wir in Bayern glücklicherweise sehr weit. Das einheitliche Nutzerkonto wurde mit der BayernID vom Freistaat und der AKDB bereits erfolgreich umgesetzt und bietet die Vertrauensniveaus hoch, substanziell und niedrig. Der Zugang zur Bayern ID ist auf drei Wegen möglich: Erstens über die eID auf dem Personalausweis im Zusammenspiel mit dem Lesegerät. Zweitens über das Software-Zertifikat authega, das die AKDB im Auftrag des Freistaats realisiert hat und das auf der Elster-Technologie basiert. Und drittens über die Eingabe von Benutzernamen und Passwort. Der bayerische Portalverbund existiert seit langem. Auch der Bund wird das Servicekonto und Postfach des Freistaats künftig einsetzen, das Bundesland Hessen ist schon damit produktiv gegangen. Was seit Jahren gefordert wird und mittlerweile in greifbare Nähe gerückt ist: Die Verwendung des ELSTER-Zertifikats für alle Online-Dienste. Auch außerhalb der Steuerverwaltung. Allerdings scheiterte das bisher an den gesetzlichen Bestimmungen. Erlaubt es der Gesetzgeber zukünftig, dass die Finanzbehörde – selbstverständlich nur mit Einwilligung der betroffenen Person – die relevanten Daten des Nutzers an sein Servicekonto übermittelt, dann können diese Daten im Sinne des OZG im Servicekonto des Portalverbunds gespeichert und zum Nachweis der Identität des Nutzers verwendet werden.
Welche Fachdienste können über das Bürgerservice-Portal genutzt werden? Und welche werden tatsächlich viel genutzt?
Das sind mittlerweile über achtzig Dienste. Von Meldebestätigungen über Wohnungsgeberbestätigungen, Beantragung von Briefwahlunterlagen, Feinstaubplakette, Geburtsurkunden bis hin zur Statusabfrage von Bauanträgen oder einer Gewerbeanmeldung. Zu den am häufigsten eingerichteten Kategorien im Dienst Sicherer Dialog zählen das Ordnungs-, Sozial- und Schulwesen sowie Tourismus und Gewerbe. Mit diesem Fachdienst bietet die AKDB außerdem ein sehr breit einsatzfähiges Tool, das eine sichere Kommunikation zwischen Bürger bzw. Wirtschaft und Verwaltung möglich macht. Und vor allem eine sichere Authentifizierung des Absenders. In Verbindung mit der eID-Funktion des neuen Personalausweises ist die Kommunikation somit schriftformersetzend.
Wie geht es nun angesichts des knappen Zeitfensters bis 2022 weiter?
Das Zeitproblem war auch eines der zentralen Themen bei der 26. Sitzung des IT-Planungsrat Ende Juni. Dort wurde beschlossen, die Aufgaben unter den Ländern aufzuteilen. Als Grundlage dafür hat der IT-Planungsrat den sogenannten OZG-Umsetzungskatalog beschlossen. Darin werden insgesamt 575 Verwaltungsleistungen in über 50 Lebens- und Geschäftslagen in 14 Themenfeldern kategorisiert. Der Katalog soll kontinuierlich fortentwickelt und für eine bessere gemeinsame Nutzung als interaktive Version realisiert werden. Diese Themenfelder und Lebens- bzw. Geschäftslagen werden zur Bearbeitung verschiedenen Bundesländern übertragen. Ein Beispiel: Schleswig-Holstein hat den Bereich Umwelt übernommen, das Land Brandenburg die Projektfederführung für das Themenfeld Ein- und Auswanderung. Auch der Freistaat Bayern hat für einige Themen Interesse angemeldet – Forschung und Förderung sowie Bauen und Wohnen. Später wird die entsprechende Lösung dann den anderen Bundesländern zur Verfügung gestellt. Zudem erfolgt eine Priorisierung der Verwaltungsleistungen.
Abgesehen von den Verwaltungsdiensten: Welche anderen Voraussetzungen sind wichtig, damit der Bürger mit der Verwaltung sicher kommunizieren kann?
Es ist entscheidend, dass es ein einheitliches Nutzer- oder auch Servicekonto gibt. Dieses bietet Bürgern und Unternehmen eine "digitale Identität" für ihr Handeln mit der öffentlichen Verwaltung im Internet. Es kann für alle Online-Verwaltungsleistungen genutzt werden und wird von allen Portalen im Verbund anerkannt, ist also interoperabel. Nutzer des Servicekontos in Bayern und auch in Hessen können zum Beispiel ein Nutzerkonto mit digitalem Postfach einrichten. In dieses Nutzerkonto können Behörden Bescheide und Nachrichten an den Bürger übermitteln. In Zukunft soll das Nutzerkonto auch weitere EU-Anforderungen integrieren. Etwa eIDAS oder das Once-Only-Prinzip. Die AKDB engagiert sich im von der EU geförderten Projekt TREATS (TRans-European AuThentication Services): Hier geht es darum, Servicekonten und die damit verbundenen Komponenten und Fachprozesse eIDAS-fähig zu machen. Das heißt, wir entwickeln für das Servicekonto der AKDB die Prozesse für das Einlesen unterschiedlicher nationaler eIDs und für das Speichern dieser Daten im Servicekonto.
Worum geht es beim Once-Only-Prinzip genau?
Bürger und Unternehmen sollen für verschiedene Anliegen nicht immer wieder neu dieselben Daten einreichen müssen: Eine einmalige Angabe sollte genügen. Staatssekretär Klaus Vitt, Vorsitzender des IT-Planungsrats, betonte kürzlich die Bedeutung von Once Only 2.0 als nächster Schritt in Richtung europäischer digitaler Binnenmarkt: Wenn der Bürger zustimme, werden die vorhandenen und qualitativ hochwertigen Daten auch Vertragspartnern des Bürgers zur Verfügung gestellt und dann könne zum Beispiel eine Hausverwaltung die Ummeldung eines Bürgers nach einem Umzug übernehmen, so Vitt in einem Interview mit der Fachpublikation eGovernment Computing. Auf europäischer Ebene gibt es bereits entsprechende Vorgaben zu diesen Diensten. Zum Beispiel die EU-Verordnung Single Digital Gateway, ein zentrales Zugangstor auf europäischer Ebene, das direkt auf die Angebote der nationalen Portale verlinkt, ähnlich wie der Portalverbund in Deutschland. In Deutschland setzt das eine neue gestaltete Registerlandschaft voraus, im Einklang mit dem Datenschutz.
Zum Schluss ein Fazit: Können wir mit Vertrauen in die Zukunft blicken?
Ich finde, ein Jahr nach Inkrafttreten des OZG sind entscheidende Weichen gestellt. Es wird für alle Akteure zu einer Herausforderung, die Vorgaben fristgerecht zu erfüllen, aber der Stein ist gewaltig ins Rollen gekommen. Insofern sehen wir durchaus optimistisch nach vorne.